Scharil Calenai,
Erstgeborener des Hauses Da'Nir,
dem 24. Haus von Nibudezan.

Familienwappen Ich wurde vor etwa 80 Jahren in Nibudezan, einer Unterweltstadt der Drow geboren. Unser Anwesen war nicht besonders groß, lag aber auf einer kleinen Anhöhe, so daß man einen guten Blick über die Stadt hatte. Neben meinen beiden älteren Schwestern hatte ich noch eine jüngere Schwester und zwei jüngere Brüder.

Die ersten 20 Jahre meiner Kindheit lehrte mich meine älteste Schwester die Rolle und Aufgaben eines jungen Mannes der Drow, während mein 5 Jahre jüngerer Bruder von meiner zweitältesten Schwester erzogen wurde. In diesen Jahren haben wir uns selten gesehen, nur zu den feierlichen Anlässen in der großen Kapelle sind wir uns begegnet. Später jedoch sind wir uns sehr oft begegnet, da wir beide die große Schule der Krieger besuchten. Ich wurde im Kampf mit dem Langschwert unterrichtet, während mein Bruder wegen seiner hohen Geschicklichkeit im Umgang mit dem Langbogen unterwiesen wurde. Nach der Ausbildung gingen wir lange gemeinsam auf Patrouille rund um Nibudezan, wo wir viel erlebt haben.

Nach dieser Probezeit, die ich absolvieren mußte, wurde ich auf die große Akademie der Magier gerufen um den zweiten Teil der Ausbildung zum Klingensänger zu absolvieren. Nur wenige werden im Umgang mit der Magie unterrichtet, aber noch weniger erhalten ein solches Training. So war ich sehr überrascht und glücklich, diese Jahre bei den großen Magiern unserer Stadt zu verbringen und von ihnen zu lernen. Die Ausbildung war sehr fordernd und hart, doch es viel mir oft leichter als meinen Mitstudenten, gleichzeitig zu kämpfen und zu zaubern. Neben diesem Unterricht wurden wir den Erzählungen von den "Großen Taten" unseres Volkes und den Schandtaten der Oberflächenbewohner indoktriniert. Wie alle anderen war auch ich so überzeugt von den Dingen, die uns gelehrt wurden, daß wir am liebsten sofort zur Oberfläche aufgebrochen wären, um für unsere Königin zu kämpfen und um Rache zu nehmen an dehnen, die uns unter die Erde trieben.

Aber die Ausbildung umfaßte viel mehr als nur das. Wir lernten, uns in den Weiten der Dunkelheit zu orientieren und zu überleben, wir stellten Waffen her und übten uns im Reiten. Viel Wert wurde auch auf die Kondition gelegt.

Nach 20 Jahren harter Arbeit war ich einer von 8 Lehrlingen, die durchgehalten hatten. Ich war froh, meine Familie wiederzusehen und mußte feststellen, daß ich noch eine weitere Schwester und einen weiteren Bruder bekommen hatte. Mein Bruder hatte während meiner Abwesenheit eine Menge Erfahrung auf den Streifen gesammelt und erzählte mir voller Stolz, das er in wenigen Monaten zur Oberfläche aufbrechen würde. Es hat mich damals sehr geärgert, daß diese Ehre dem Zweitgeborenen zu teil wird. Ich habe noch einige Bemühungen angestellt, mit ihm mitzugehen, doch es waren wichtige Dinge in der Stadt zu regeln und um unsere Familie herrschte viel Trubel, den wir nicht gebrauchen konnten. So blieb ich die ganzen 2 Jahre in der Nähe von Nibudezan und zog nur gelegentlich mit auf Patrouille aus, die meiste Zeit jedoch war ich auf dem Anwesen und verbrachte viel Zeit mit Nichtstun.

Als mein Bruder endlich zurückkehrte, war dies eine große Erlösung für mich, denn nur konnten wir gemeinsam in die weiten der Unterwelt ausziehen. Monatelang erzählte er noch von der Zeit auf der Oberwelt. Dies war meine schönste Zeit mit ihm, da ich damals das erste mal über einen größeren Zeitraum mit meinem Bruder zusammen war. Wir hatten keine Geheimnis voreinander zu verbergen und ergänzten uns vortrefflich da, wo die Fähigkeiten des Anderen aufhörten. Um so überraschter war ich, als ich eines Nachts sein großes Geheimnis entdeckte: Er hatte heimlich ein paar Bücher von den oberirdischen Bewohnern mitgebracht und diese die ganze Zeit versteckt gehalten. Die erzählten von Begebenheiten, die bereits viele hunderte von Jahren zurücklagen, beschrieben Rassen, von denen wir nichts gehört hatten und handelten von Magie, die uns nicht bekannt war. Es kostete uns sehr viel Mühe, die Bücher Stück für Stück in unsere Sprache zu übersetzen. Aber je mehr wir lasen, um so neugieriger wurden wir. Und so standen wir eines Tages vor dem Problem, das wir die wenigen Bücher fertig gelesen hatten und mehr wissen wollten. Ich wußte von meiner Zeit auf der Magierakademie, wo die große Bibliothek war, aber ich hatte keinen Zutritt. Diesen erhalten nur erfahrene Magier und die Priesterinnen der Lolth. So mußten wir uns durch den Hintereingang stehlen um an neue Schriften zu gelangen. Dies ging auch einige Monate gut wo niemand Verdacht schöpfte, aber wir hatten doch einen verhängnisvollen Fehler begangen. Unsere jüngste Schwester war schon immer sehr ehrgeizig gewesen und war uns beiden feindlich gesonnen. Wir kamen gerade erschöpft von einer Streife zurück, die weit von Nibudezan weggeführt hatte, als wir sofort in die große Halle geführt wurden, wo die Mutter Oberin uns bereits grimmig erwartete. Die Verhandlung dauerte nur wenige Minuten und das Urteil war um so erschreckender: Es sollte ein Kampf auf Leben und Tod werden, zwischen meinem Bruder und mir.

So begannen wir den Kampf gezwungenermaßen, er mit seinem Bogen, ich mit meinem Schwert. Am Anfang standen wir uns weit gegenüber und keiner wollt den Kampf beginnen, des das Ende des anderen herbeirufen würde. Wir standen Minutenlang schweigend da und schauten uns beide an. Als Krieger waren wir es gewohnt abzuwarten, aber meiner Schwester riß plötzlich der Geduldsfaden. Durch einen Zauber der Sinne beraubt spannte mein Bruder seinen Bogen und schoß den ersten Pfeil. Am Anfang wich ich nur aus, aber die Masse seiner Pfeile zwang mich zum Handeln. Mit gezogenem Schwert lief ich auf ihn zu, stets darauf bedacht, seinen Pfeilen auszuweichen. Viele prallten von meiner Rüstung ab aber schließlich fand doch einer seinen Weg zu seinem Ziel: Er durchschlug meine rechte Schulter und blieb in meinem Körper stecken. Die Schmerzen werde ich nie vergessen, die der Pfeil und sein Gift verursachten. Benommen stürmte ich weiter, in der Hoffnung, ihn seines Bogens zu berauben. Ich hatte nur eine Chance in Nahkampf, im Kampf über größere Entfernungen war er unschlagbar. Die hatte ich oft auf unseren Patrouillen beobachtet. Mit letzter Kraft zerschlug ich seinen Bogen und zwang ihn so, sein Schwert zu gebrauchen. Er war gut im Schwertkampf, aber meine Verletzung schwächte mich zu sehr, um gegen ihn zu gewinnen. Nach einem kurzen Schlagabtausch wurde mir plötzlich schwarz vor Augen und ich verlor das Bewußtsein, das Gelächter meiner Schwester noch immer in meinen Ohren. Was dann geschah konnte ich nie ganz klären.

Als ich wieder zu mir kam, wurde ich sofort in die große Kapelle geschleppt, wo das heilige Ritual vollzogen wurde. Ich sehe noch immer die Bilder von dem riesigen schwarzen Raum mit seiner brennenden Kohlepfanne vor mir, meinen Bruder auf dem Altar und meine Schwestern hinter der Mutter Oberin, die ihr Gebet zu Lolth schreit. Ich wollte in die Schreie meines Bruders einstimmen, als die Transformation seinen Körper zwang, sich zu verändern, doch ich brachte keinen Ton heraus, so entsetzt darüber, was mit meinem Bruder geschah: Jetzt war auch er ein Wesen in den großen Weiten der Unterwelt, das dazu geschaffen war, sein Dasein im ewigen Dunkel zu verbringen, um schließlich durch den Tod der Erlösung ein Stück näher zu kommen.

Von da an hatte ich nur noch ein Ziel: Rache für meinen Bruder. Meine jüngste Schwester hatte noch viel Spaß daran, mich für die Vergangenheit und den verlorenen Kampf gegen meinen Bruder zu bestrafen, doch mein Zorn wuchs um so mehr. Am meisten liebte sie es, "Zweikämpfe" mit mir auszutragen. Mit einer Waffe, die es nicht verdient, Langschwert genannt zu werden, gegen eine Priesterin der Lolth, die ihre Peitsche über alles liebte und Spaß daran fand, sie gegen wehrlose einzusetzen. Nach ungezählten Monaten, die ich nur in einer Art Trance überstand, fand dieses Spiel ein abruptes Ende. Das magische Schwert meines Bruders, das die letzte Erinnerung an ihn war, in ihrer Brust, war das Letzte, was sie jemals gesehen hat.

Ich mußte Nibudezan schnellstmöglich verlassen, denn auf den Mord an einer Hohen Priesterin war mit die schlimmste Straftat verbunden, die es bei gab. Demgegenüber war die Strafe für meinen Bruder eine sehr niedrige. Nur mit dem blutbefleckten Langschwert begab ich mich so schnell meine Beine mich trugen auf einen Weg, dessen Ziel ich noch nicht kannte. Ich hatte die Stadtgrenze noch nicht ganz erreicht, da spürte ich schon den Zorn meiner Familie auf mich. Ich war lange nicht mehr außerhalb der Stadt gewesen und meine Erinnerungen an die Tage der Patrouille waren auch nicht mehr die Besten. Getrieben durch den Mut der Verzweiflung zu überleben und aus Furcht vor der Rache meiner Familie rannte ich stundenlang durch Tunnel und Gänge. Ohne ein konkretes Ziel, nur mit dem Willen, eine möglichst große Distanz zwischen mir und meinen Verfolgern zu gewinnen, durchlief ich Gebiete, in denen ich nie zuvor gewesen war. Je weiter ich vordrang, um so eindringlicher wurden mir meine Schwierigkeiten bewußt:

Das erste Problem war meine Ausrüstung. Zwar hatte ich ein Langschwert, doch ohne eine Rüstung ist man einem Hinterhalt schutzlos ausgeliefert. Das zweite war die Zeit: Ich war zwar ein geübter Läufer, doch auch ich brauchte Ruhe. Die dritte Hürde war die Unterwelt: Zwar ist sie die Heimat der Drow, doch selbst viele unserer besten Expeditionstrupps sind nie mehr von ihren Aufgaben zurückgekehrt. Ein einzelner Kämpfer war von vorhinein zum Tode verurteilt, vor allem wenn er sich weit außerhalb der Städte in den verwinkelten Teilen aufhält. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis meine Flucht eine Ende haben würde. Bei meinem ersten Kampf hatte ich mehr Glück als Verstand: Ich stand einer Gruppe von 3 unerfahrenen Lehrlingen unter der Leitung eines Magiers gegenüber, die ihre Studien in die Tat umsetzen wollten. Wir waren beide so überrascht, daß keiner fähig war zu handeln. Ich riß mich zuerst zusammen und zog mein Langschwert und stürzte auf den Magier los, der die größte Gefahr für mich darstellte. Dieser lies Flammen in seinen Händen erscheinen und griff mich damit an. Doch er muß in der Eile einen Fehler begangen haben: Er fing selbst Feuer und versuchte verzweifelt, Herr des magischen Feuers zu werden. Doch dazu sollte er nicht mehr kommen. Mit 2 gezielten Streichen sank sein Körper hinter mir zusammen während die drei Grünschnäbel zaghaft ihre Waffen zogen und sich von dem blutüberströmten Leichnam ihres Meisters losrissen. Wie ein verrücktgewordener schwirrte meine Klinge durch die uns umgebende Dunkelheit. Sekunden später war kein Geräusch mehr zu hören, bis auf das Prasseln der brennenden Magierleiche. Mir blieb nur wenig Zeit und so nahm ich nur die Überreste des Zauberbuchs, ein Seil und ein wenig Nahrung mit. Ich lief weiter bis ich vor Erschöpfung zusammenbrach. In einer kleinen Höhle, die durch einen Kriechtunnel erreichbar war, verbrachte ich die Nacht.

Am nächsten Morgen nahm ich mir die Zeit und warf einen Blick in das erbeutete Zauberbuch. Einige wenige Sprüche, die das Feuer heil überstanden hatten, konnte ich wiedererkennen und prägte sie mir ein. Ich packte schnell meine Sachen und brach sofort aus. Kaum hatte ich meinen Ruheplatz verlassen, als meine Verfolger über mich herfielen: Ich erwischte einen der Häscher bevor ich einen geschützten Ort erreichte. Doch meine Freude über diesen kleinen Vorteil währt nicht lange: Meine älteste Schwester stand an der gegenüberliegenden Seite und beendete gerade ihren Zauber: Blitze zuckten durch die Höhle und schlugen krachend ein. Die ungeheure Energie durchdrang meinen Körper und schleuderte mich an die Felswand. Reflexartig sprang ich auf und warf mich hinter einen Feldvorsprung, kurz bevor die nächste Ladung tödlicher Blitze nur um Haaresbreite über mir ein Loch in die Steine sprengten. Ich hörte die Stimmen vieler Drow, die sich auf einen Angriff vorbereiteten und gleich über mich herfallen würden. In Panik krabbelte ich durch die Öffnung und stand vor dem Abrund einer riesigen Schlucht, aus deren Tiefe das dumpfe Grollen eines unterirdischen Flusses drang. Ich nutzte den Platz der mir verbliebt so gut es ging und nahm Anlauf während ich mich auf eine unserer alten Fähigkeiten konzentrierte. Die Hälfte lag bereits hinter mir als eine dritte Salve leuchtender Energie durch die Öffnung flog und mich mit solcher Wucht im Flug traf, das ich die Konzentration verlor und mein Fall begann. Ich wäre wohl nicht hier, wenn die Blitze nicht auch etwas gutes gehabt hätten. Durch den gewaltigen Impuls in Richtung Ausgang erreichte ich gerade so die Klippen und klammerte mich mit aller Kraft in den Fels. Vor mir war der rettende Ausgang, unter mir ein tobender Fluß von unbekannter Größe und hinter mit mein wütender Clan, der durch die Öffnung in die Höhle drang. Ich zog mich mit all meiner Kraft nach oben, nur um festzustellen. daß vor mir meine Schwester stand und hämisch auf mich herab blickte während sie ungeduldig mit ihrer Peitsche spielte. Ich sah mich hilflos nach allen Seiten um und entdeckte zu allem Überfluß auch noch meine andere Schwester auf der gegenüberliegenden Seite, umringt von vielen Kriegern unseres Hauses.

Meine Schwester brüllte wütend auf mich ein aber ich hatte gar nicht die Zeit, ihr zuzuhören. Dem Ziel so nah zauberte ich einhändig, so wie ich es auf der Schule gelernt hatte. Zwei geballte Energieladungen schossen aus meiner Hand und brachten die Priesterin zum Schweigen. So schnell ich konnte zog ich mich hoch und eilte zum Ausgang als ich die schmerzenden Köpfe der Peitsche spürte, die mich umschlungen und mich zurückzogen. Ich hatte selten eine solche Kraft gespürt und konnte mich nicht länger aufrecht halten. Sie holte gerade zu einem neuen Schlag aus als ich mich zur Seite rollte, um der Peitsche zu entgehen, doch ich glitt über den Abrund und konnte mich gerade noch festhalten, als die Geißel erneut tiefe Spuren in mir hinterließ. Immer wieder und immer wieder sauste ihre Waffe auf mich herab während sie mit ihren schweren Schuhen auf meiner Hand stand, so daß ich nicht loslassen konnte, um der Sache ein Ende zu bereiten. Ich stemmte mich mit letzter Kraft in der Wand und konnte meine Hand gerade so losreißen. Meine Schwestern warfen mir noch irgendwelche Zauber hinterher, aber ich war bereits zu tief in die Schlucht eingetaucht, so daß ihre Wirkung nicht zum tragen kam.

Mein Fall wurde immer schneller und das Tosen des Wassers immer lauter. Ich versuchte zu zaubern, aber sowohl der Zauber als auch meine Fähigkeiten zu Schweben ließen mich im stich. Die Sekunden kamen mir wie Stunden vor und ich erwartete jeden Augenblick mein Ende. Mit einer gebrochenen Hand und mit schweren Verletzungen würde ich einen solchen Aufprall auf das Wasser nicht überleben. Endlich konnte ich den reißenden Strom sehen, als plötzlich eine gewaltige Kraft mich packte und meinen Fall bremste. Der Aufschlag war immer noch hart genug, aber ich bliebt bei Bewußtsein. Ich hatte viel mühe, mich im Wasser oben zu halten, vor allem bei einer solch starken Strömung. Ich legte mich auf den Rücken und ließ mich treiben, um neue Kraft zu sammeln.

Ein lautes Tosen riß mich aus meinen Gedanken: Der Fluß hatte sich merklich verbreitert und es war entsetzlich heiß und neblig geworden. Irgend etwas großes mußte da vorne passieren. Zum Glück war die Strömungsgeschwindigkeit hier langsamer und ich erreichte den seichteren Teil, in dem ich stehen konnte. Ich tastete mich langsam vorwärts in Richtung Tosen. Ich war noch wenige Meter von einer Kraterkante entfernt, als ich dieses riesige Naturschauspiel erkannte: Ungeheure Wassermassen strömten hier von allen Seiten in den Krater, auf dessen Grund flüssige Lavamassen das Wasser erhitzten und so heißer Wasserdampf durch den Kamin nach oben entwich. Ich stand sehr lange da und schaute zu, bis ich mir meinem neuen Problem bewußt wurde: Zurück konnte ich nicht mehr, denn der Fluß war zu groß. Der einzige Ausweg war der nach oben, doch in dem kochenden Wasser hätte ich keine Sekunde überlebt. Ich schleppte mich zurück an einen ruhigeren Ort und kümmerte mich zuerst um meine Verletzungen bevor ich mich schlafen legte. Am nächsten Tag erwachte ich unter zahlreichen Schmerzen: Mein Kopf fühlte sich wie ein großer Ballon an, der jeden Augenblick platzen würde, im meiner gebrochenen rechten Hand pulsierte das Blut unter Hochdruck, auf meinem Rücken spürte ich die durch die Energieblitze verbrannte Haut, meine Beine waren müde von der Flucht und mein Magen knurrte nur so vor Hunger. Die unerträgliche Hitze und Luftfeuchtigkeit tat ein übriges, um die Lage noch trostloser werden zu lassen, aber ich begann dann doch mit der Erkundung der Höhle, um einen Ausweg zu finden. Man konnte den gesamten Krater umrunden, aber von allen Seiten strömten große Mengen Wasser in den Hexenkessel und selbst für einen geübten Schwimmer war sie Strömung zu stark, um einen eventuell anderen Ausgang zu erreichen, geschweige denn war ich ein so guter Schwimmer. So kehrte ich nach einigen Stunden geschlagen an meinen Rastplatz zurück, lehnte mich gegen die feuchte Felswand und starrte in die Wasserdampfsäule, die sich nach oben bewegte und suchte einen Ausweg aus dieser unbewohnten Grotte. So dachte ich zumindest, aber selbst an diesem seltsamen Ort gab es Lebewesen, die sich dort einnisteten: Ihr Körper war bis zu einem Meter lang, der zwischen zwei Flügeln hing, die nicht selten eine Spannweite von drei Metern erreichten. Flogen sie einmal nicht durch die Höhle, krallten sie sich mit ihren beiden Klauen in der Steinwand fest oder schwangen ihren Schwanz um Stalaktiten. Das auffälligste und gefährlichste war jedoch der 30 cm lange Schnabel, der rundherum mit kleinen und spitzen, messerscharfen Zähnen gespickt war. Es war phantastisch anzusehen, wie mühelos sie ihre großen Schwingen ausbreiteten und die Dynamik für nutzten, um in die Höhe zu schnellen. Bei ihrer Rückkehr segelten sie elegant am Rand spiralförmig herab und landeten nur wenige Meter über dem brodelnden Boden. Ich wollte mich gerade mit der Ergatterung einer solchen Mahlzeit befassen, als mich mein Instinkt vor einer solchen bewahrte: Einer dieser Fleischfresser stürzte sich auf mich herab und wollte sich mit seinen Krallen an mir festhalten, doch ich konnte mich gerade noch zur Seite wenden, so daß er an mir vorbei schoß und neu Anlauf nehmen mußte. Ich zog mein Schwert und bereitete mich auf einen neuen Angriff vor, doch er war verschwunden. Ich sah mich rasch in alle Richtungen um, aber meine Augen erblickten nur eine dunkle Höhle und meine Ohren hörten nur das Rauschen des Wassers. Ich ging vorsichtig einige Schritte an der Wand entlang, konnte aber immer noch nichts wahrnehmen. Plötzlich spürte ich einen spitzen Schnabel, der auf meinen Kopf einhakte. Reflexartig sprang ich von der Wand weg, wirbelte herum und riß mein Schwert in das Dunkel. Ein eiskalter Schauer traf mich, als meine Waffe den Vogel in der Luft traf. Ich zuckte unwillkürlich zusammen und fiel dabei ins Wasser, neben mir der tot Vogel. So schnell wie der Kälteschauer gekommen war, so schnell war er auch wieder verschwunden. Erst als ich das Tier aus dem Wasser fischte, wurde mir so langsam klar, was geschehen war: Dessen Blut war eiskalt und war mir ins Gesicht getropft, als ich ihn über mir getroffen hatte. Seine niedrige Körpertemperatur erklärte es auch, warum ich die Wesen bisher nicht gesehen hatte und wie sie in einer solchen Umgebung überleben konnten.

Ich begab mich zurück an meinen Lagerplatz und kühlte meine Verletzungen, während ich den Vogel verzehrte und die neugewonnenen Möglichkeiten in meinen Fluchtplan einbaute. Jetzt stand ich sogar noch unter Zeitdruck, denn ich wollte nicht als Vogelfutter enden, und ich befürchtete, daß meine Entdeckung eine sehr große Schar von diesen Wesen heraufbeschwören würde. Zum Glück schienen sie recht friedlich zu sein, wenn sie nicht gerade Hunger hatten und auf Beutezug ausflogen. Ich legte meinen Umhang ab und breitete ihn auf dem Fußboden aus. Jeweils zwei Ecken verband ich mit den Überresten des Seils, während ich diese zwei Gurte noch einmal miteinander verknotete. Den Rand des Capes verstärkte ich mit den Knochen des Vogels, so daß er etwas steifer wurde und eine größere Fläche aufwies. Den Rest des Tages brachte ich damit zu, ein paar andere dieser Tiere einzufangen, ohne dabei allzusehr aufzufallen. Ich bestrich meinen ganzen Körper mit dem eiskalten Saft und achtete darauf, möglichst wenig wieder durch das Wasser abzuwaschen. Ich schnappte mir meinen modifizierten Umhang und begab mich an den Abgrund des Kessels, wo mir der heiße Wasserdampf nun etwas kühler entgegenwehte. Der Blick zum Boden lies mich zögern, aber es war meine einzige Chance. Ich sprach einen Zauberspruch und sprang danach in den heißen Wind, der mich sofort mit nach oben riß, dem schwarzen Ungewissen entgegen. Minutenlang zogen die Wände an mir vorbei und die Säfte des Vogels begannen, langsam herabzutropfen und mir wurde immer heißer. Zum Glück war die Lava schon Kilometer entfernt, aber der Wasserdampf verbrühte mich doch an einigen Stellen sehr stark. Der Aufstieg wurde langsamer und über mir konnte ich ein seltsames blaues Licht erkennen. Wenige Augenblicke später erblickte ich eine riesige Höhle, in der sich das Wasser abkühlte und einen großen See formte. Ich wusch mir die Reste von dem Vogel ab, schwamm zum Rand und betrachtete diese seltsam erleuchtete Höhle von einem trockenen Ort aus. In der Mitte stiegen unaufhörlich weitere Gasmassen aus einer Öffnung zur Decke auf, wo sie sicher verteilten und über den ganzen See verteilt herabregneten. Im warmen Wasser des Sees schwammen zahlreiche Fische, die zum Opfer von einigen Vögeln wurden, die hier ihre Nahrung besorgten. Am Ufer wuchsen verschiedene Pflanzen, von denen sich kleine krabbelnde Tiere ernährten. Es war alles ganz anders, als ich es von Nibudezan gewohnt war. Ich überprüfte die letzten Stücke meiner Ausrüstung und suchte mir einen Rastplatz, wo ich genug Abstand zum See, aber auch einen guten Blick auf diesen hatte. Nach einigen Stunden Schlaf erwachte ich plötzlich und erblickte eine zirka zwei Meter große, kahle schwarze Spinne direkt über mir: In ihrem Netz konnte ich einen scheinbar toten, menschenähnlichen Körper sehen, aus dem ein mattschwarzer Stachel ragte. Ich rollte mich zur Seite und richtete mich schnell auf, als sich neben mir die Beine der Spinne in den Boden bohrten, wo ich gerade noch geschlafen hatte. Doch von meinem jetzigen Standpunkt konnte ich nicht an mein Schwert gelangen, welches hinter der Spinne an der Wand stand. Ich wich rückwärts aus meinem Unterschlupf, verfolgt von diesem Monstrum mit seinen bedrohlichen Beinen. Ich erreichte das Ufer des Sees, doch ich ging weiter in das Wasser hinein, immer noch verfolgt von der Spinne, die selbst vor dem Wasser keinen Halt machte. Doch im Wasser war ich flinker. Ich lockte sie noch ein ganzes Stück weiter vom Ufer weg bevor ich so schnell ich konnte zu meinem Lagerplatz zurückschwamm, um mein Schwert aufzunehmen. Dabei streife mein Blick noch einmal den leblosen Körper im Spinnennetz, der sich zu bewegen schien. Ich durchschnitt das Netz und konnte nun einen genauerer Blick auf die Gestalt werfen. Ich wollte den Stachel aus dem Körper entfernen, doch als ich diesen erfaßte, durchlief ein eisiger Schmerz meinen Arm und mir wurde schwindlig. Nur mit mühe konnte ich meinen Griff lösen und taumelte zurück, als die Spinne soeben das Wasser verließ und sich langsam auf mich zu bewegte. Ich kletterte auf einen kleinen Vorsprung und wartete ab. Als die Spinne genau unter mir war, schlug ich auf sie ein, doch obwohl ich ihre Panzerung durchdrang, richtete meine Waffe sehr wenig Schaden an. Da sie langsam aber sicher meinen Vorsprung erklomm, wußte ich mir einen neuen Platz suchen: Ich sprang über sie hinweg, rannte zum Wasser und schwamm durch den See auf die andere Seite, um Zeit zu gewinnen. Als sich die Spinne schwerfällig durch das Wasser bewegte, probierte ich einen Zauber aus. Doch bereits bevor ich ihn vollendet hatte, verpuffte die Energie nutzlos. Ich probierte es mit einer Dunkelheit, aber selbst meine angeborene Fähigkeit wollte nicht so, wie sie sollte: Sie erschien zwar um die Spinne, schrumpfte jedoch sofort zusammen und verschwand. Beständig kam das Wesen näher und verließ schließlich das Wasser, wo ich es mit einem neuen Spruch erwartete. Doch auch diesmal blieb der erhoffte Effekt aus, dafür schlug es mit seinen langen dünnen Beinen auf mich ein: Jeder Treffer lies mich zusammenzucken und beförderte eine kleine Menge Gift in meinen Blutkreislauf. Ich sprang zurück, drehte mich um und wollte fliehen, als ich einen starken Schmerz im rechten Bein spürte: In ihm steckte die abgebrochene Spitze einer ihrer Beine. Ich lief weiter und wollte es im Laufen entfernen, doch auch bei dieser Berührung durchfuhr mich eisige Kälte. Hinter mir das bedrohliche Klackern der Beine auf dem steinernen Boden lief ich so schnell ich konnte in die Richtung, in der auch das Wasser floß. Erst am Rande eines kleines Flusses machte ich halt, um nach meiner Verletzung zu sehen.

Der Stachel saß nicht sehr tief, aber was mich schwere Sorgen machte, waren schwarze Schlieren, die von der Wunde aus in alle Richtungen netzartig auseinanderliefen. Ich umwickelte meine Hand mit einem Stoffetzen und packte vorsichtig an den Stachel. Selbst dadurch spürte ich diese Eiseskälte. Erst vorsichtig, dann etwas heftiger und zuletzt mit aller Kraft zog ich daran, aber es rührte sich kein Stück. Während ich da saß und es mit allen Mitteln probierte, mußte ich zusehen, wie die Spitze langsam wuchs und immer größer wurde. Plötzlich schreckte ich durch ein Geräusch dicht hinter mir auf und sprang reflexartig nach vorne, gerade noch rechtzeitig, bevor die Spinnenbeine sich in den Fels bohrten. Ich rannte in panischer Angst los, ohne mich um meine Schmerzen in Schulter und Bein zu kümmern, ohne mich umzusehen, nur immer geradeaus so weit mich meine Kräfte trugen.

Als ich durch das Dunkel rannte und der Abstand zwischen mir und meinem Verfolger sich vergrößerte, bemerkte ich, wie die Kälte langsam in mir hochstieg und mein Bein immer schwerer und träger wurde. Ich wollte mir keine Zeit nehmen und einen weiteren Versuch starten, den Dorn zu entfernen. Ein Blick nach unten offenbarte meine Befürchtung: Das halbe Bein war mit schwarzen Fäden durchzogen, die von einem merklich gewachsenen Stachel ausgingen. Als ich meinen Blick wieder geradeaus wendete, konnte ich gerade noch das Hindernis sehen, über das ich im nächsten Augenblick stolperte. Ich flog der Länge nach hin und knallte mit meinem Kopf ziemlich hart auf einen Gegenstand. Ich wollte wieder aufstehen, doch ich konnte nicht mehr. Mein Kopf schmerzte und es begann sich alles im Kreis zu drehen; der Boden bewegte sich und ich schaukelte hin und her; die Decke kam auf mich zu und dann wurde es dunkel.

Oloth. Dunkelheit. Ewige Nacht. Mein Zuhause. Zuhause? Was ist das? War das ein Zuhause? Viele Jahre habe ich dort gelebt. Habe ich gelebt? Oder war es nicht eher ein Dasein? Ein Dasein im Dienste der Gesellschaft. Zum Arbeiten. Ein Werkzeug. Ein Sklave. Ja, das war ich. Ein Sklave. Ein Sklave von Lolth. Ein Diener des Todes. Zwei Geschwister sind Tod. Und nun ich? Was hat es gebracht? Der Familie entkommen und dann doch gestorben? Nein. So schnell gebe ich nicht auf. Zuerst will ich Frieden. Mit mir. Das bin ich meinem Bruder schuldig. Ich werde dich nicht vergessen. Ruhe in Frieden, Nadal. abbil.

Alles ist dunkel. So dunkel wie es schon immer war, aber etwas ist anders. Es ist anders dunkel. Stockdunkel. Nicht einmal Wärme. Aber es ist warm. Und diese Stille! Noch nie war es so still. Doch ich spürte Erschütterungen. Starke Erschütterungen. Dazu dieser Geruch. Der Geruch von vielen Kräutern, so stark und kräftig, wie ich es noch nie vorher gerochen habe. Vorsichtig will ich mich erheben, doch ich finde keine Kraft, nicht einmal die Kraft, ein Bein, einen Finger zu krümmen. Schritte. Ich höre Schritte, langsame und leise Schritte. Aus welcher Richtung kommen sie? Ich weiß es nicht. Ganz gleichmäßig kommen sie immer näher. Immer lauter kommen sie an mein Ohr. Ich will schreien, aber es bleibt still, bis auf diese Schritte. Oder doch nicht? Jetzt ist es totenstill. War es eine Täuschung? Da, wieder ein Geräusch: Atemgeräusche. Und ein Luftzug in meinem Gesicht. Ein kühler Atem auf meinem Gesicht. "Wer ist da?", frage ich mich, aber ich erhalte keine Antwort. Doch, da, ist das keine Stimme, die da redet? Ganz leise, direkt neben meinem Ohr. Aber ich verstehe sie nicht. Was ist das für eine Sprache? Dunkelelfisch jedenfalls nicht. Es ist eine weibliche Stimme, nicht älter als 100 Jahre vielleicht. Wieder eine Stimme: Die gleiche, aber eine andere Sprache. Wieder verstreicht Zeit. Erneut fragt mich die Stimme etwas, aber ich verstehe es nicht. Oder doch? Bedeutet dieses Wort nicht "du"? Was war es für eine Sprache? Tief in meinem Kopf begannen sich die Dinge zu ordnen, langsam, ganz langsam kam es zum Vorschein: "darthiir", "Elfisch".

Unwillkürlich zuckte ich zusammen, woraufhin ich ein erleichtertes Stöhnen wahrnahm. Ganz allmählich begann sie zu Sprechen. Ich mußte mich stark anstrengen, um alles mitzubekommen, den ich kannte Elfisch nur vom Papier her und hatte die Sprache vorher noch nie gehört. Sie sagte, daß sie "Pilora" hieße und mich schwer verwundet vor ihrer Hütte gefunden hätte. Ich solle keine Angst haben und mich ausruhen. Ich bräuchte viel Zeit, um meine Kräfte wieder zu bekommen. Ich wollte nicht schlafen, ich wollte wach bleiben, aufstehen, wegrennen, schreien, sterben, mehr erfahren. Aber je mehr ich mich anstrengte, um so müder wurde ich und schließlich schlief ich völlig erschöpft ein.

Als ich wieder aufwachte, hörte ich wieder diese Stimme, diesmal in einiger Entfernung. Sie unterhielt sich mit einer männlichen Stimme, die so um die 180 Jahre alt sein mußte. Ich konnte jedoch kein Wort verstehen, da die Sprache mir völlig unbekannt war. Sie unterhielten sich sehr lange und ausgedehnt, aber so sehr ich mich auch anstrengte, ich fand keinen Sinn in dieser Sprache. Nach einer halben Ewigkeit verabschiedete sich die männliche Stimme und ging. Pilora räumte noch irgendwelche Sachen weg, bevor sie in meine Richtung kam und sich auf mein Lager setzte. Mit einem feuchten Lappen wusch sie mir das Gesicht ab und trug eine komisch riechende Salbe auf, bevor sie mich leise ansprach: Sie erzählte, daß eine Riesenschildkröte mich vor einem halben Jahr vor ihr Heim getragen hatte. Mein gesamter Körper sein steif und von schwarzen Fäden durchzogen gewesen. In meinem Bein habe ein schwarzer Stab gesteckt, der sich nicht entfernen ließ. Viele Versuche seien fehlgeschlagen, bis sie endlich eine geeignete Methode gefunden hatte, um ihn herauszuziehen. Die Stränge hätten dann begonnen, sich langsam aufzulösen. Meine starken Wunden, die ich hatte, heilten nur sehr stockend. Vor einer Woche sei ich dann für sehr kurze Zeit das erste mal aufgewacht. Weiter erzählte sie mir, daß sie hier zurückgezogen ihr Leben führe und sich um ihr Revier kümmere. Bis auf ihre Tiere und ein paar wenige Freunde würde niemand hier herkommen. Sie erzählte mir von ihren Gefährten, einem Dachs und einem Bär, die aus sie aufpassen würden.

Nach all den Erzählungen gab sie mir einen bitteren Trank, der meine Heilung beschleunigen sollte. Selbst hatte ich nicht die Kraft dazu, aber mit ihrer Hilfe war es kein Problem. Einem wurde innerlich ganz warm und man spürte, wie sich seine Kräfte ihren Weg suchten. Bis in die entlegensten Ecken bahnten sie sich den Weg und lieferten die nötige Energie für den Heilprozeß. Ein leichtes Kribbeln durchfuhr den Körper und ich schlief ein.

Immer wieder wachte ich auf und immer wieder pflegte sie mich. Jedesmal gewann ich ein Stück meiner Kräfte zurück. Ein halbes Jahr ging dies so, bis ich endlich in der Lage war, selbständig zu stehen. Ich war zwar noch sehr wackelig auf den Beinen, aber ich konnte durch die Wohnung gehen und mich selbständig ernähren. Am Anfang war es ziemlich ungewohnt, ohne etwas zu sehen, zurechtzukommen, aber mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt. Eines Tages kam wieder dieser Mann, dessen Stimme ich schon einmal gehört hatte. Wir saßen gerade beim Essen, als er sich zu uns setzte und mit uns aß. Sie unterhielten sich ein Weile wieder in dieser anderen Sprache, in der sie sich auch damals unterhalten hatten. Danach war es einige Zeit ruhig, bevor sie mir erklärte, worüber sie gerade gesprochen hatten: Dieser Mann sei ein befreundeter Magier und habe sich über meine Krankheit informiert. Er hätte eine Möglichkeit gefunden, mir mein Augenlicht wiederzugeben. Allerdings sei damit das Risiko verbunden, es für immer zu verlieren, da die Methode bis jetzt noch nie angewandt worden wäre. Als Gegenleistung sollte ich ihm einen Gefallen tun.

Es war zwar riskant, aber ich habe mich dann doch dazu entschlossen, es zu probieren. Ich legte mich auf mein Lager und der Magier zauberte etwas, worauf ich mich mehr bewegen konnte. Dann spürte ich, wie eine Flüssigkeit in meine Augen getropft wurde und mir der Kopf mit einer Binde umwickelt wurde. Ich spürte erst ein leichtes Kribbeln, dann ein Jucken, dann ein Brennen und zuletzt unsägliche Schmerzen, so als ob an Subandorianischer Schnabelvogel einem das Auge aushackt. Ich wollte um mich schlagen, mir die Augen auskratzen, aber ich konnte mich durch meine magischen Fesseln gebunden nicht rühren. Die Zeit schien stillzustehen während meine Augen verbrannten. Ohnmächtig vor Schmerzen verlor ich das Bewußtsein.

Ein leises Schnaufen direkt neben meinem Ohr weckte mich wieder auf. Schweißgebadet lag ich auf meiner Schlafgelegenheit und wagte nicht, meine Augen zu öffnen. Langsam, ganz vorsichtig öffnete ich ein Auge. Es war dunkel. Hatte es funktioniert? Ich hielt meinen Atem an und allmählich öffnete ich auch das andere Auge, aber es blieb dunkel. Nein, es durfte nicht sein. Ich schloß meine Augen und öffnete sie erneut, aber erfolglos. Behutsam hob ich meine Hände und wollte meine Augen befühlen. Zitternd berührte ich mein Gesicht und stellte fest, das meine Augen mit etwas bedeckt waren. Vorsichtig und langsam entfernte ich die Binde und öffnete meine Augen: Entfernt, ganz entfernt nahm ich ein Licht war. Alles war verschwommen und unscharf, aber ich sah Licht. Ich glaube, ich habe mich noch nie so über Licht gefreut wie damals. Beruhigt sank ich zurück und bedankte mich innerlich bei Pilora und diesem Mann.

Ich probierte immer wieder meine Augen aus, aber es war ziemlich schmerzhaft. Es besserte sich zwar im Laufe der nächsten Tage, aber ich lief die meiste Zeit mit einer Augenbinde herum, um die Heilung nicht zu gefährden. Nach zwei Wochen der freiwilligen Blindheit kam dann der große Tag, an dem ich die Augenklappe abnahm. Ganz behutsam öffnete ich die Augen und blickte in ein großes Gesicht mit grünen Augen und langen dunkelblonden Haaren, das mich mit einem breiten Grinsen anlächelte. Sie trug einen langen grünbraunen Mantel, der mit zahlreichen Stickereien verziert war. Auf ihrer Schulter saß ihr Dachs, der mich mit seinen schwarzen Augen anblickte. Überwältigt von diesem Anblick umarmte ich sie und drückte sie herzhaft an mich. Ich weiß nicht, wie lange ich sie so gehalten habe, aber ich ließ sie dann irgendwann los und sank zurück auf mein Lager, wo ich mich zufrieden hinlegte und die Decke betrachtete.

In den folgenden Tagen und Wochen verbesserten sich meine Augen immer mehr und meine Kräfte kehrten zurück. Die Wunde in meiner Schulter war vollständig verheilt, genauso wie die anderen Wunden an meinem Körper. Nur da, wo der Stachel in meinem Bein gesteckt hatte, konnte ich noch immer Spuren davon sehen. Da ich immer noch nicht sprechen konnte, schrieb ich meine Antworten für sie auf, während sie auf Elfisch zu mir sprach. Ich schrieb ihr meine Geschichte auf und sie erzählte mir ihre. Sie lebe hier in der Wildnis, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Dann sei vor ein paar Jahren eine Bande von brutalen Dieben aufgetaucht und hätten sie vertrieben. Sie sei hierher geflohen, um neue Kräfte zu sammeln. Ihre einzige Verbindung sei dieser Magier, der sie alle paar Monate besuchen würde. Dann habe sie mich gefunden und sich um mich gekümmert. Jetzt sei die Zeit für sie gekommen, Rache an den Verbrechern zu nehmen. Ich könne so lange bleiben, wie ich wolle oder sie begleiten, aber sie könne nicht mehr länger warten.

Am nächsten Tag war sie verschwunden. Sie war sehr früh aufgebrochen und hatte einige ihrer Sachen mitgenommen. Auf dem gedeckten Tisch fand ich einen Anhänger und einen Zettel von ihr:

Lieber Scharil!

Ich muß leider sofort gehen und kann nicht noch länger warten. Ich will dich nicht in die Sache mit hineinziehen und habe deshalb beschlossen, ohne dich zu gehen. Nimm es mir nicht übel. Ich werde bestimmt bald zurück sein. Nimm diesen Anhänger von mir. Er soll dir Glück bringen. Wenn er sich erwärmt, bist du in guter Gesellschaft. Wir werden ein wachendes Auge auf dich werfen.

Deine Pilora.

Ich packte etwas zu essen in einen Rucksack und eilte ihr nach. Vor der Tür lag ein kleiner Tümpel, in dem ich schon öfters geschwommen war. Ich durchquerte ihn so schnell ich konnte und folgte auf der anderen Seite dem Weg entlang des Baches. Ich hatte keine Probleme, dem Tunnel zu folgen und konnte einige Kilometer gutmachen. Er führte direkt zu einer Öffnung, hinter der sich eine Höhle erstreckte. Ich rannte weiter und erreichte eine Öffnung in der Höhlendecke. Ich kletterte empor und stand in einem dichten Wald. Es war ein ziemlicher Schock, links und rechts keine Wände mehr zu haben. Stattdessen standen hölzerne Stämme kreuz und quer verteilt herum. Von ober, wo ich nur grün sah, tropfte Wasser herab und sickerte durch den bewachsenen Boden. Zu meinem Glück konnte ich die tiefen Spuren des Bären schnell ausmachen und ihnen leicht folgen. Bei jedem Schritt versank ich ein Stück im Boden, doch es war ein angenehmes Gefühl, durch das weiche Moos zu laufen. Plötzlich hielt ich inne. In einiger Entfernung hörte ich Kampfeslärm, das Schlagen von Metall auf Metall, das Knurren eines Bären vermischt mit den Schreien von Kämpfern. Ich lief schneller, nur meinem Gehör folgend. Die Sekunden verstrichen und die Bäume und Büsche rasten an mir vorbei. Ich lief einen kleinen Anhang hinauf und erblickte das Schlachtfeld: Mehrere Gestalten umringten den großen Bären mit langen Stangenwaffen und griffen ihn damit an. Pilora selbst ging es wenig besser, denn sie hatte 3 Gegner gegen sich, welche sie mit wuchtigen Schlägen zurück trieben. Ein kurzer Rundblick und ich fand das gewünschte: Neben einem der toten Gegner lag ein Langschwert. Ich arbeitete mich vorsichtig im Schatten entlang, bevor ich hervorsprang und mir das Schwert packte. Es war keine besonders gute Waffe, aber sie mußte ausreichen. Wie ein geölter Blitz rannte ich auf die Gegner von Pilora zu. Lautlos wie ein Schatten schlug ich zu: Ein Volltreffer. Er schrie auf vor Schmerzen und drehte sich um, aber es war zu spät, denn der zweite Treffer kostete ihn sein Leben. Durch diesen Angriff abgelenkt konnte sich Pilora etwas Luft schaffen und sich freiarbeiten. Einer der beiden blickte in meine Richtung und erstarrte förmlich, als er mich sah. Er rief seinen Kameraden etwas zu, worauf einige sich von dem Bären abwandten und auf mich zuliefen, um ihren Gefährten beizustehen. Aber noch ehe sie bis auf 10 Meter an uns heran wahren, lagen zwei weitere Leichen zu unseren Füßen und wir erwarteten sie schon. Der Erste rannte mit angelegtem Speer auf mich zu, aber er war zu träge und rannte an mir vorbei, während der Zweite mein Bein streifte und seinen Speer in die Erde bohrte. Der dritte zögerte etwas, ließ seine Waffe fallen und zog einen Streitkolben. Seine starken Schläge führte er direkt gegen meinen Schwertarm, so daß ich die Waffe aus der Hand verlor und unbewaffnet vor ihm kniete. Er wollte gerade zum entscheidenden Schlag ausholen, als er plötzlich erstarrte, die Waffe fallen lies und durch einen Pfeil tödlich getroffen nach vorne auf mich niederfiel. Ich rollte mich nach rechts, nahm in Windeseile mein Schwert und stand im nächsten Augenblick wieder. Während Pilora einen Pfeil nach dem anderen abfeuerte, merkte sie den ersten Gegner nicht, der auf sie loslief. Ich rannte sofort los, rammte dabei einem sterbenden Gegner im vorbeilaufen mein Schwert in der Unterleib und war nur noch wenige Schritte von ihr entfernt. Doch unser Gegner war schneller. Mit tödlicher Präzision durchbohrte er sie mit seiner Lanze, bevor ich ihn mit voller Wucht umriß. Er wollte nach seinem Schwert greifen, aber das hatte bereits ich in der Hand und schlug damit auf ihn ein. Als ich meinen Blick wieder hob, lag Pilora bewußtlos in einer Blutlache, bei ihr der Dachs. Im Hintergrund brüllte der Bär noch hinter einem fliehenden Feind hinterher, bevor er schnell zu ihr lief.

Ich hatte keine große Ahnung in Heilkunde und wußte auch nicht, wie Menschen gebaut waren. Ich kratzte mein weniges Wissen zusammen und verband sie so gut ich konnte. Ich schüttete ihren Rucksack aus und suchte nach etwas nützlichem, aber in meinen Augen sah alles gleich aus. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, als mir ein kleines Fläschchen auffiel, das der Dachs bei sich trug. Instinktiv griff ich danach und öffnete es: Es enthielt eine Salbe, die ich auf ihre Verletzungen auftrug. Sofort schlossen sich die Wunden und es hörte auf zu bluten. Aber ich befürchtete, daß die inneren Wunden vielleicht ihren Tod verursachen könnten. Ich lud sie auf ihren Bären, sammelte schnell alles brauchbare ein und wollte eben auf den Bären steigen, aber dieser bewegte sich bereits vom Dachs geleitet von mir weg. Ich lief hinterher, in der Hoffnung, daß sie den Richtigen Weg kannten.

Es mögen wohl 2 oder 3 Stunden gewesen sein, die wir unterwegs waren, als in einiger Entfernung ein Lagerfeuer auftauchte. Ich lief lieber etwas langsamer und lies die beiden Tiere vorgehen, denn ich fühlte mich unsicher. Vom Lagerfeuer rief eine unbekannte Stimme etwas in unsere Richtung und es erschienen mehrere Schatten vor dem Feuer. Ich wich aus und schlich mich von der Seite näher heran, um sie genauer zu beobachten: Zuerst wollten sie den Bären angreifen, aber als sie Pilora sahen, hielten sie inne. Sie begannen sofort heftig zu diskutieren, dann hoben sie Pilora vom Bären und brachten sie in ein Zelt. Alle bis auf einen Mann in langen Roben verließen das Zelt wieder und versammelten sich vor dem Eingang. Nach einer langen Zeit kam der Mann aus dem Zelt und sagte etwas zu den Männern, die sich daraufhin verstreuten und zu verschiedenen Lagerplätzen gingen. Einige packten ihre Waffen und patrouillierten um das Lager, so daß es mir unmöglich war, nach Pilora zusehen. Ich zog mich ein Stück zurück und machte mir behelfsmäßig ein Lager. Ich war so erschöpft, daß ich sofort einschlief.

Das Aufwachen war das schlimmste Erwachen, das ich jemals gehabt habe: Ein knacken riß mich aus dem Schlaf, worauf ich sofort aufsprang und um mich blickte. Ich spürte ein gleißend helles Licht, das in meine Augen viel und fürchterlich brannte. Noch nie hatte ich ein so helles Licht gesehen. Ich schloß meine Augen und riß die Hände vor mein Gesicht, aber der Schmerz hielt an. Ich lief kreuz und quer durch den Wald, stolperte über Wurzeln und Sträucher, rannte gegen Bäume, stand wieder auf und torkelte weiter, bis ein dumpfer Schlag auf meinem Kopf mich zu stehen brachte. Instinktiv griff ich nach meinem Schwert, aber ich hatte es verloren. Vorsichtig öffnete ich ein Auge, schloß es aber sofort wieder, um nicht ins Licht zu blicken. Wieder spürte ich einen Hieb, der mir fast das Gleichgewicht raubte. Ich taumelte zurück und wurde plötzlich von einer Hand gepackt, die mich auf den Boden drückte und mir eine Klinge an den Hals hielt. Ich hielt es für Besser, keinen Widerstand zu leisten und lies mich entspannt zurücksinken. Ich spürte, wie ich umgedreht wurde und wie mir die Hände zusammengebunden wurden. Mit einem Strick um den Hals wurde ich ein kurzes Stück durch den Wald geführt. In ihrem Lager fesselten sie mich an einem Baum, bevor sie sich heftig unterhielten. Ich schaute vorsichtig nach ihnen, aber ein noch viel hellerer Schein als vorher traf mich ins Gesicht. Ich lies hoffnungslos meinen Kopf sinken, als ich eine vertraute Stimme hörte. Piloras Stimme war schwach, aber doch energisch, als sie heftig auf sie einredete. Sie diskutierten sehr lange, aber schließlich beruhigten sie sich alle etwas und sprachen leise weiter. Nach einer weiteren halben Ewigkeit wurde ich dann vom Baum losgebunden. Man löste die Fesseln auf meinem Rücken und band mir die Hände vor dem Körper wieder zusammen. Dann brachte man mich in ein Zelt, wo ich mich auf den Boden setzten mußte. Hier war es entscheidend dunkler und ich schlug behutsam meine Augen auf. Mir gegenüber saß Pilora mit einem dicken Verband um ihren Bauch, daneben der Herr mit den langen Roben, der sich gestern um sie gekümmert hatte. Links und rechts von mir standen zwei Krieger, die ihre Waffen griffbereit hielten. Pilora erklärte mir, daß die Männer mir nichts tun würden. Einzige Bedingung sei, daß ich gebundene Hände hätte und das Zelt nicht ohne Begleitung verlassen würde. Darauf stellte mir der Mann viele Fragen, die Pilora übersetzte, während ich meine Antworten in den Fußboden schrieb.

Am nächsten Tag packten sie früh morgens ihr Lager zusammen und zogen weiter. Pilora war noch zu schwach, um selber zu reiten und fuhr deswegen zusammen mit ihrem Dachs auf einem der Wagen mit, während ich auf dem Bären hinterher ritt, immer in Begleitung zweiter Soldaten. Nach vier Tagen erreichten wir eine Gabelung, wo uns unsere Wege trennten. Pilora war wieder zu Kräften gekommen und zog mit mir zusammen nach Süden, während die Karawane weiter nach Westen zog. Zwei Tage später erreichten wir unser Ziel und standen vor dem Turm von Randames Ambler, dem Magier, der die Augentropfen besorgt hatte. Er war gerade dabei, Vorbereitungen für irgend etwas Großes zu treffen und freute sich sehr über unser plötzliches Auftauchen. Er sah nicht besonders gut aus und erzählte uns, daß er seine Medikamente nicht bekommen hätte und gerade heute morgen seine beiden jungen Lehrlinge losgeschickt hätte, um danach zu sehen. Er sei aber ein wenig besorgt und wäre froh, wenn ich mich ihnen anschließen würde. Pilora wollte auch nur ein paar Tage hier bleiben, um sich vollständig zu erholen, bis sie wieder zurück in ihr Gebiet gehen würde. Ich sei immer herzlich eingeladen, sie dort zu besuchen. Randames suchte noch schnell aus seinen Beständen die nötigsten Ausrüstungsgegenstände zusammen und gab mir diese mit auf die Reise. Ich verabschiedete mich noch von Pilora, ehe ich mich aufmachte, meine neuen Gefährten einzuholen. Sie hatten einen halben Tag Vorsprung, aber den holte ich mit Leichtigkeit auf. Am späten Abend erblickte ich ein Lagerfeuer in einiger Entfernung. Vorsichtig schlich ich mich heran. Eine Gestalt lag auf der Erde und schlief, während die Andere nach vorne übergebeugt auf ihrem Schwert lehnte.

Wie sie wohl reagieren würden? Ich beschloß, mich überraschen zu lassen und spazierte langsam in den Schein den Feuers.